Erst mal vorweg:
Womit ich bei diesem Buch ein echtes Problem habe, ist die Altersempfehlung "14-17 Jahre". Nun, wir wissen ja, dass ein Buch sobald es irgendwelche sexuellen Anspielungen enthält, in den USA eine Freigabe ab 18 Jahre erhält. Mit Gewalt nehmen sie es da jedoch nicht so genau und der deutsche Verlag hat anscheinend die Altersempfehlung übernommen. Ich persönlich würde das Buch jedenfalls keiner 14-jährigen in die Hand drücken, ohne nicht zumindest über den Inhalt genauer zu sprechen. Hier wird die Vollendung aus Sicht der Person beschrieben, die vollendet wird und das ist keine leichte Kost. Empfehlen kann ich "Vollendet" eher für Leser ab 16 Jahren.
In den USA haben die Differenzen zwischen Abtreibungsgegnern und Abtreibungsbefürwortern zum zweiten Bürgerkrieg geführt. Keine Seite konnte zum Gewinner erklärt werden, stattdessen wurde eine Einigung in Form der "Charta des Lebens" erzielt. Diese Charta sieht vor, dass das Leben ab dem Moment der Empfängnis geschützt ist. Eltern können jedoch ihr Kind nachträglich im Alter von 13 – 18 Jahren "abtreiben", indem der Körper des Kindes zu 100 % weiterverwendet wird und das Leben auf diese Art und Weise "vollendet" wird. Diese Praxis ist in der Gesellschaft stark verbreitet und akzeptiert. Connor ist ein solcher Jugendlicher, der als störend gilt und daher von seinen Eltern für die Vollendung vorgesehen ist. Risa ist ein Mündel des Staates und soll als Sparmaßnahme vollendet werden und Lev ist nach seiner Religion als "Zehntopfer" zur Vollendung vorgesehen. Doch sie fügen sich nicht wehrlos in ihr Schicksal, denn für sie bedeutet die Vollendung der Tod ...
Inhaltlich hat mich "Vollendet" von Neal Shusterman an "Alles was wir geben mussten" (Orig: "Never let me go") von Kazuo Ishiguro erinnert. Auch hier "vollenden" Kinder ihr Leben als Organspender.
Neal Shusterman wirft eine Reihe von moralischen und ethischen Fragen auf. In Deutschland wird das Thema Abtreibung nicht so kontrovers diskutiert und teilweise mit Gewalt durchgesetzt, wie dies in den USA üblich ist. Die grundsätzliche Streitfrage, die zur "Charta des Lebens" geführt hat, ist daher für deutsche Jugendliche nicht direkt verständlich. Shusterman regt jedoch dazu an sich über dieses Thema mehr Gedanken zu machen und weitet dies direkt auf die Bereiche Organspende, Adoption, Religion, Politik und Gesundheitsversorgung aus.
Fesselnd ist dabei die Erzählperspektive, die ständig wechselt und so Einblicke in die Leben von Connor, Risa und Lev bietet. Die Figuren wirken sehr realistisch und facettenreich. Geschrieben ist "Vollendet" nicht in der Ich-Perspektive, aber trotzdem ist es sehr gut möglich mit den Kindern mit zu fiebern. Abgesehen von den Grundsatzthemen handelt es sich hier eher um ein klassisches Road-Movie. Drei Jugendliche, die versuchen die Zeit bis zu ihrem 18. Geburtstag zu überleben und dabei Gleichgesinnten begegnen. Empfehlen kann ich "Vollendet" daher sowohl als Sozialstudie, als auch als Abenteuerroman. Man sollte jedoch vorher wissen, dass man hier mit dem Thema Tod und insbesondere Eltern die ihre Kinder töten, konfrontiert wird. Dieses Buch ist daher für junge oder empfindsame Leser nicht geeignet.
In den USA erscheint im August 2012 mit "Unwholly" die Fortsetzung zu "Unwind". Das erste Buch ist jedoch in sich abgeschlossen.
So habe ich bewertet:
Und hier kann man das Buch kaufen: Neal Shusterman: Vollendet
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