Sonntag, 2. Dezember 2012

Emma Donoghue: Raum


Für den fünfjährigen Jack ist Raum seine ganze Welt. Hier wurde er geboren, hier essen, schlafen und spielen Jack und seine Mutter. Für Jack ist Raum sein Zuhause, doch für seine Mutter ist es ein Gefängnis, in das Old Nick sie vor Jahren verschleppt hat. Doch dies ist die Geschichte von Jack und wie er die Welt sieht.

Was "Raum" ausmacht, ist die Perspektive der Erzählung. Der Erzähler ist hier ein fünfjähriger Junge, der in seinem bisherigen Leben noch nichts kennengelernt hat, außer Ma, Raum und Fernseher. Zu Beginn des Buchs feiert Jack gerade seinen fünften Geburtstag, ein großes Ereignis, auf das er sich oft im Verlauf bezieht. Denn "damals" als er noch vier war, war natürlich alles ganz anders. Der Alltag von Jack und Ma besteht aus immer den gleichen Abläufen, Ritualen und Geschichten und Lieder an die sich Ma erinnert. Dazu gibt es noch die Planeten im Fernseher, die Jack seine "Freunde" zeigen (damit sind die Figuren in Kindersendungen gemeint) und die wenigen Bücher und Spielsachen die Jack besitzt. Doch Jack ist immer beschäftigt, aus Kleinigkeiten werden Spiele erdacht und Sachen gebastelt.
Das hier etwas ganz und gar nicht stimmt, wird dem Leser spätestens klar, als Jack zum schlafen in den Schrank gesperrt wird, denn in der Nacht kommt Old Nick zu Ma und die Tür zu Raum öffnet sich kurze Zeit mit einem "piep, piep, piep".
Einige Dinge sind aus unserer Betrachtungsweise vielleicht ein wenig ungewöhnlich, so zum Beispiel das Jack mit fünf Jahren noch ständig gestillt wird, doch die Erklärung der Mutter dazu "es gab keinen Grund damit aufzuhören" ist für mich ebenso nachvollziehbar. Auch Jacks Ausdrucksweise mag zu Anfang gewöhnungsbedürftig sein. Er verwendet so gut wie keine Artikel, doch dies hängt mit seiner eingeschränkten Lebensweise zusammen. Er kann sich nicht vorstellen, dass es noch andere Tische außer Tisch in "echt" gibt, ebenso geht es mit Bett, Teppich, Schrank und allem anderen was sie in Raum haben.

Ohne die "echten" Fälle wie der von Natascha Kampusch und der Familie Fritzl wäre "Raum" nicht so erschreckend. Aber so weiß man, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ähnliches erlebt haben. Man kann es nicht als Fiktion und reine künstlerische Freiheit der Autorin abtun, wobei Emma Donoghue jedoch das Kunststück vollbracht hat, die Welt von Jack vor meinem Auge zu erschaffen. Dieser kleine Junge, der trotz aller Einschränkungen in der Gewissheit aufwächst geliebt zu werden und der alles durchstehen kann, solange er nur seine Ma hat, ist das eigentliche Wunder von "Raum". Der Gedanke, gefangen in einem Raum aufzuwachsen ist erschreckend, doch sieht man es mit Jacks Augen, so ist sein Leben absolut in Ordnung, so wie es ist. Denn er kennt es nicht anders und er hat seine Ma. So schrecklich es ist, die Liebe einer Mutter ist wichtiger als alle Freiheit der Welt. Mungst (eine Mischung aus Mut und Angst) kennt Jack eigentlich erst, als es darum geht Raum vielleicht zu verlassen, doch auch hier hat mich dieser sympathische kleine Kerl nur überzeugt. Alles weitere möchte ich nicht verraten, denn Jack kann die Geschichte viel besser erzählen als ich.
Jacks Geschichte ist einfach wundervoll zu lesen, auch wenn sie etwas beängstigend ist, so zeigt dieser Junge doch auch einen Mut, der beispielhaft ist und so ist dies ein unglaublich berührender Roman, bei dem man als Leser auch selber unsicher ist, was denn nun das Beste für Jack und Ma ist.
Ich empfehle jedem sich auf "Raum" einzulassen und von Jack seine Welt erklären zu lassen.


So habe ich bewertet:



Und hier kann man das Buch kaufen:  Emma Donoghue: Raum

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