Freitag, 9. November 2012

Anne Chaplet: Schrei nach Stille

Bewertung: *****

Die erfolgreiche Autorin Sophie Winter hat zum Unverständnis aller Nachbarn ein altes Haus in Klein-Roda gekauft. Doch es ist nicht irgendein Haus. Ein Fluch lastet auf den Mauern und im Laufe der Jahrzehnte hat sich sein Ruf nicht verbessert. Sophie Winter ist jedoch auch eine Frau mit Vergangenheit. In ihrem Bestsellerroman „Summer of Love“ erzählt sie eine Geschichte von Sex, Drugs und Rock’n’Roll in Konfrontation mit der Spießigkeit der Landbevölkerung. Doch wie viel Wirklichkeit steckt in dem Buch?
Paul Bremer lebt im gleichen Dorf wie Sophie Winter. Auch er ist ein Zugezogener und sieht die Ablehnung die der Autorin von der Nachbarschaft entgegen kommt. Was ist damals vor 40 Jahren im Dorf wirklich geschehen?
Giorgio DeLange ist Polizeikommissar und wird als Berater zur Verfilmung von „Summer of Love“ hinzugezogen. Doch etwas an dem Buch lässt ihm keine Ruhe: Die Erinnerung an einen alten Vermisstenfall an der Polizeischule, der nie aufgeklärt werden konnte.
Wie hängen alle diese Personen zusammen und was ist wirklich im „Summer of Love“ geschehen?


Nach einem starken Beginn mit bildhafter Sprache lässt der Spannungsbogen leider schnell nach. Zwar sind die drei Erzählstränge für sich sehr interessant, doch wirkte die Zusammenführung der Bruchstücke auf den letzten Seiten des Buchs auf mich sehr konstruiert und mit vielen Mutmaßungen aufgefüllt.
Den Titel empfinde ich als sehr passend. Das Oxymoron „Schrei nach Stille“ spiegelt durch seine Gegensätzlichkeit auch die Position von Sophie Winter wieder. Auf der einen Seite eine erfolgreiche Autorin, andererseits jedoch eine verwirrte Frau, die sich im Alltag nur mühsam mit Hilfe von Zetteln zurechtfindet. Diesen Charakter fand ich daher sehr gut ausgearbeitet und lesenswert.
Verwirrend fand ich Paul Bremer und die Darstellung seiner Beziehung zu Anne in Form von SMS Bruchstücken. Seine Erzählpassagen hemmten meiner Meinung nach den kompletten Erzählfluss und hätten sicherlich mehr Potenzial gehabt.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Charakter des Giorgio DeLange auch in weiteren Büchern ausgebaut wird. Von ihm würde ich gerne mehr lesen.
Insgesamt fand ich den Roman zu konstruiert und abgehackt um wirkliche Spannung aufzubauen. Schade – hier ist die Chance entgangen aus einer guten Story auch ein gutes Buch zu machen.






Und kaufen kann man das Buch hier: Anne Chaplet: Schrei nach Stille

Donnerstag, 8. November 2012

Jens Johler: Kritik der mörderischen Vernunft

Bewertung: *****

Fünf Jahre nach "Gottes Gehirn" gibt es ein Wiedersehen mit Troller und Jane. Beide arbeiten weiterhin für das Wissenschaftsmagazin Fazit in Berlin und zuweilen an gemeinsamen Artikeln. Privat sind sie nun ein Paar, doch zu einer gemeinsamen Wohnung konnten sie sich bisher nicht durchringen.
Während Jane als Gerichtsjournalistin am Fall des "Erlösers" in London tätig ist, erhält Troller mysteriöse E-Mails einer Person, die sich selber mit dem Namen Kant betitelt. In den E-Mails wird die Nacht der praktischen Kritik angekündigt, die sich in der Ermordung des Hirnforschers Professor Ritter zeigt. Am Tatort hat der geheimnisvolle Kant ein Zitat aus Trollers Buch "Terror der Wissenschaft" zurückgelassen.
Doch dieser Todesfall ist erst der Anfang von Kants Kritik. Weitere Wissenschaftler werden angegriffen oder getötet. Aber wer ist Kant und wieso hält er Kontakt zu Troller?
Meine Meinung:
"Kritik der mörderischen Vernunft" ist ein Nachfolger von "Gottes Gehirn". Die Bücher sind jedoch inhaltlich voneinander gelöst. Dies wird noch verstärkt durch den geschickten Schachzug des Autors, das erste Buch innerhalb des zweiten Buchs auftauchen zu lassen. Es wird klargestellt, dass die Darstellung von Troller und Janes Recherchereise in "Gottes Gehirn" die Science-Fiction Umsetzung eines Autoren Duos ist. Somit kann "Kritik der mörderischen Vernunft" völlig unabhängig von den vorherigen Ereignissen agieren und einen sehr viel direkteren Bezug zur Gegenwart herstellen.
"Kritik der mörderischen Vernunft" ist eins meiner Highlights des Jahres 2008.
Obwohl das Buch nicht in der Ich-Perspektive geschrieben ist, baut sich ein sehr vertrautes Verhältnis zwischen den Protagonisten und dem Leser auf. Durch Einblicke in die Gefühlswelt der Figuren ist es gut möglich, sich in die Geschichte hineinzuversetzen.
Orientiert am aktuellen Weltgeschehen, werden Verbindungen geknüpft und Möglichkeiten aufgezeigt, die auf eine sehr fundierte Recherchearbeit hindeuten. Die mit dem Buch vermittelten Thesen bezüglich der Zusammenarbeit von Unternehmen, Wissenschaftlern und politischen Interessen halte ich für durchaus möglich. Gleichzeitig wird hier jedoch auch mit den Ängsten der Leser gespielt, denn wer hat sich nicht schon mal Gedanken darüber gemacht, was der Normalbürger überhaupt von den Vorgängen hinter den politischen und wirtschaftlichen Kulissen mitbekommt.
Da in "Kritik der mörderischen Vernunft" jedoch die wissenschaftlichen Erkenntnisse geschickt mit kriminalistischen Ermittlungen, sowie philosophischen Grundfragen verknüpft werden, ergibt sich ein stimmiges und sehr unterhaltsames Gesamtbild.
Die Hauptfiguren kommen sehr sympathisch rüber, trotz der einen oder anderen Charakterschwäche. Auch die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet.
Die Handlung findet zum größten Teil in Berlin und London statt, jedoch haben auch einige andere Deutsche Städte ihren Auftritt. Der Roman ist schlüssig, wirkt jedoch nicht zu konstruiert.
Die Sprache ist flüssig und die wissenschaftlichen und philosophischen Aspekte werden gut erläutert.
Ebenfalls gut gewählt finde ich den Titel, da die Neugier des Lesers geweckt wird.
Ich hoffe sehr, dass noch eine Fortsetzung mit Troller und Jane folgt.


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Mittwoch, 7. November 2012

Joel Haahtela: Sehnsucht nach Elena

Bewertung: *****

Ein alter Mann berichtet in der Art eines Tagebuchs von seinen Begegnungen mit einer jungen Frau.
Angefangen mit der ersten zufälligen Begegnung im Park, versucht er mehr über diese Frau heraus zu bekommen. Er beobachtet sie täglich, bringt ihren Namen -Elena- in Erfahrung und folgt ihr bis nach Hause. Jede dieser kleinen Begegnungen ist ihm eine Erwähnung wert.
Doch was steckt hinter seiner Faszination für diese junge Frau?

"Sehnsucht nach Elena" ist ein Buch von gerade einmal 152 Seiten, die teilweise auch nur zur Hälfte beschrieben sind. Die ersten 120 Seiten handeln von den Begegnungen mit Elena, bzw. der Suche nach ihr. Meine erste Reaktion auf dieses Buch war daher etwas enttäuschend, da ich in der Handlung keinen wirklichen Verlauf, sondern eher Eintönigkeit sah.
Doch die letzten 30 Seiten haben einen ganz anderen Klang.
Der Leser wird eingeweiht in das Geheimnis um die Sehnsucht nach Elena.
Durch diese Offenbarung bekommen auch die ersten 120 Seiten einen ganz anderen Geschmack.
Vormals hatte die Geschichte eines alten Mannes, der ein junges Mädchen beobachtet, einen ziemlich faden Beigeschmack für mich. Doch Elena ist eigentlich nur ein Synonym für die Vergangenheit und so gewann auch die Geschichte für mich eine andere Bedeutung.
Ich kann daher nur jedem Leser empfehlen, dieses Buch bis zum Ende zu lesen und nicht vorher mangels Spannung oder Abwechslung aufzugeben.
Joel Haahtela findet schöne Worte für das was wir eigentlich täglich vor Augen haben. Sei es die einfache Beschreibung eines Schmetterlings an einem Sommertag, oder auch den Schnee der Stille über die Stadt bringt. Gleichzeitig scheinen diese Beschreibungen jedoch auch Symbole für den Gemütszustand des alten Mannes zu sein und so wird man sicherlich auch noch bei einem erneuten lesen des (leider sehr dünnen) Buchs noch Neues entdecken können.
Wer stille Geschichten mag, wird hier sicherlich ein neues Lieblingsbuch gefunden haben.

Und hier kann man das Buch kaufen: Joel Haahtela: Sehnsucht nach Elena

Dienstag, 6. November 2012

Hitomi Kanehara: Obsession

Bewertung: *****

Rin ist Schriftstellerin.
Mit 23 Jahren erhält sie den Auftrag eine erfundene Autobiographie zu schreiben.
Doch kein Roman kann so abwegig sein, wie ihr eigenes Leben. In umgekehrter chronologischer Reihenfolge werden Episoden aus ihrem bewegten Liebesleben und den vier ernsthaften Beziehungen in ihrem noch jungen Leben wiedergegeben.
Ihr Ehemann Shin, den sie mit 22 Jahren heiratet. Ihre Beziehung zum Musiker Sha im Alter von 18 Jahren. Ihr Freund Gato mit 16 Jahren und schließlich ihr erster fester Freund Nyanko, als sie 15 Jahre alt ist.

Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt ein so schlechtes Buch gelesen habe.
Ich empfand die 220 Seiten als quälend lang und habe versucht durchzuhalten in der Hoffnung, dass mir am Ende klar sein würde, wie sich Rin zu einem solchen Menschen entwickeln konnte.
Doch diese Offenbarung tritt leider nie ein. Genauso wenig, wie eine positive Reflexion der Rückblicke.
Ein Mensch, der schon in seiner Kindheit von Gewaltphantasien heimgesucht wird, mit 15 Jahren nur noch vor den Trümmern seiner Jugend steht und schließlich mit 22 Jahren voller Selbstzweifel ist und ein von Paranoia getriebenes Leben führt, kann mir einfach nur leid tun.
Freude an diesem Buch können meiner Meinung nach eigentlich nur voyeuristisch veranlagte Personen oder Hobbypsychiater haben. Eine Anzahl von Diagnosen für Rins gestörte Persönlichkeit dürfte sicherlich leicht zu finden sein. Vielleicht gibt dieses Buch jedoch auch so manchem Leser Hoffnung, dass es immer noch jemanden gibt, der schlechter dran ist als man selbst.
Einen glücklichen Eindruck macht Rin zu keinem Zeitpunkt des Romans. Ihre Identifikation scheint nur über ihre jeweiligen Männer stattzufinden.
Mir ging Rins ewiges Gejammer, ihre Selbstzweifel und ihre Oberflächlichkeit jedenfalls gehörig auf die Nerven. In ihren Beziehungen steigert sie sich in einen regelrechten Wahn und sollte es einmal nichts Negatives zu finden geben, so wird es ihr schon gelingen, dass Positive umzudeuten.
Dazu kommt noch die teilweise sehr vulgäre Sprache und die inneren Dialoge zwischen Rin und ihren Genitalien, die mir jedes Lesevergnügen genommen haben.
Der Titel "Obsession" scheint mit gut gewählt, besonders wenn man ihn im Sinne von "Zwangsvorstellung" versteht. Die rote Farbe des Bucheinbands und das Cover passen ebenfalls gut zum Inhalt.
Sollte dieses Buch einen echten autobiographischen Bezug haben, so kann ich nur eins sagen: Bitte, bitte Hitomi Kanehara, lassen Sie sich helfen und begeben sich in ärztliche bzw. psychologische Betreuung!


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Montag, 5. November 2012

Emma Hamberg: Landliebe gesucht

Bewertung: *****

Marie hat ihr Leben im Griff. Sie ist gut aussehend, taff und arbeitet als Barchefin in Stockholm.
Asa ist finanziell unabhängig, erfolgreich im Job und glücklich verheiratet.
Lena hat sich früh den Wunsch nach Kindern erfüllt und wollte schon immer eine große Familie haben. Jetzt lebt sie mit vier Kindern und Mann im eigenen Haus.
Das einzig gemeinsame das diese drei Frauen haben, ist ihre Familie – sie sind Schwestern.
Doch auf der Geburtstagsfeier von Hampus, Lenas Jüngstem, sind erst Risse im heilen Gefüge der Schwestern zu erkennen.
Lena kann die Fassade der glücklichen Mutter und Hausfrau nicht weiter aufrecht erhalten. Sie bricht unter dem Druck zusammen. Doch niemand aus der Familie erkennt ihre stillen Hilferufe. Als schließlich auch noch Rolf, der Vater der Schwestern überraschend stirbt, lässt Lena alles hinter sich. Sie verlässt ihren Mann und ihre Kinder.
Konfrontiert mit den Problemen ihrer Schwester und wachgerüttelt durch den Todesfall in der Familie, gerät nun auch das gewohnte Leben von Asa und Marie aus den Fugen.
Wie wird nun die Zukunft der Schwestern aussehen und welche weiteren Schicksalsschläge müssen sie noch verkraften?


Anhand des Titels hatte ich "Landliebe gesucht" schnell in die Schublade "triviale Frauenliteratur" gepackt. Das wird dem Buch jedoch absolut nicht gerecht. Es geht weniger darum eine Liebe zu finden, sondern eher den Weg zurück zu den eigenen Wurzeln und der Familie. Meiner Meinung nach, wäre daher der Originaltitel "Brunstkalender" passender gewesen (die Zusammenhänge klären sich im Buch) und zudem hätte er sicherlich auch mehr die Neugier potenzieller Leser geweckt.
Einige Schwierigkeiten hatte ich mit der schwedischen Währung und den schwedischen Begriffen im Text. Ich hätte es schön gefunden, wenn für die deutschen Leser ein kleiner Glossar oder Fußnoten vorhanden gewesen wären.
Die Einblicke in schwedische Traditionen ("Sandwichtorten") und die unterschiedliche Sichtweise der Schwestern auf Land und Leute empfand ich als sehr interessant.
Insgesamt war das Buch tiefgründiger als ich erwartet hatte. Hier wird keine heile Welt vorgegaukelt und alle Probleme lösen sich zum Ende in Wohlgefallen auf. Die anfangs so harmonische Welt der Schwestern zerbröckelt. Was sie jeweils für die Erfüllung ihres Traums gehalten haben, entwickelt sich immer mehr zum Albtraum. Doch wie entkommt man einem Albtraum den man selbst geschaffen hat? "Landliebe gesucht" bietet keine Lösung für jedes Problem, doch am Ende ist klar, dass jedes Problem kleiner wird, wenn man eine Familie hat die hinter einem steht. Symbolisch entwickelt sich der Sonnenschein zu Anfang rasch zu einem heftigen Gewitter. Das Buch endet mit dunklen Wolken am Himmel, doch es blitzen schon wieder die ersten Sonnenstrahlen durch. Der Rest bleibt der Phantasie der Leser überlassen.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Emma Hamberg den drei Schwestern vom Solvändan Hof ein weiteres Buch widmet.





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