Dienstag, 27. November 2012

Gaile Parkin: Kuchen backen in Kigali

Bewertung: *****

Angel Tungaraza lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Enkelkindern in Kigali, der Hauptstadt von Ruanda. Ursprünglich stammt die Familie aus Tansania, doch nach dem Bürgerkrieg zieht es sie wie viele andere in das Nachbarland um beim Wiederaufbau zu helfen und sich mit den Zuschlägen für die Arbeit in einem Nachkriegsland ihr Leben zu finanzieren. Eigentlich dachte Angel, dass die Zeiten der Kindererziehung hinter ihr liegen würden, doch nach dem Tod ihres Sohnes und ihrer Tochter ist sie nun für eine ganze Kinderschar die Mutter. So ist es auch der Name Mama-Grace, nach ihrer ältesten Enkelin, unter dem sie die Nachbarn und Freunde kennen.
Doch Angel ist nicht nur Mutter, sie hat ihr eigenes Gewerbe gegründet.
Sie entwirft und bäckt Kuchen, zu jedem nur erdenklichen Anlass. Jeder neue Auftrag beginnt mit einem langen Gespräch und so wird bei Milchtee nicht nur der Kuchen, sondern auch die Lebensgeschichte der Kunden besprochen. Angel hört zu, berät und hilft. Die vielen unterschiedlichen Schicksale helfen ihr schließlich auch, die eigene Familiengeschichte noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

„Kuchen backen in Kigali“ ist ein sehr ungewöhnliches, farbenprächtiges, aber auch nachdenklich machendes Buch, das mir sehr gut gefallen hat.
Ruanda ist noch stark vom Bürgerkrieg gezeichnet und auch wenn die Menschen sagen, dass sie jetzt alle Banyarwanda (= Einwohner von Ruanda) sind, so ist der Bürgerkrieg und die Trennung in Hutu und Tutsi noch lange nicht vergessen. Doch Angel selber stammt nicht aus Ruanda, sondern aus Tansania. So versteht sie zwar die afrikanische Mentalität und teilt Geschmack und Denkweise mit den Banyarwanda, doch gleichzeitig hat sie auch eine Distanz zu den Geschehnissen während des Krieges. Ihre Kunden und Freunde wissen, dass Angel wie sie selber sagt „eine professionelle Person ist und sich mit Verschwiegenheit auskennt“. So werden Angel viele Geschichten anvertraut. Mal sind es sehr traurige Erlebnisse, Erzählungen von Familien die auseinander gerissen wurden und Menschen die gestorben sind. Doch oft berichten sie auch von Hoffnung und Versöhnung, sowie dem Wunsch, die schrecklichen Kriegsjahre hinter sich zu lassen.
Angel bringt mit ihren Kuchen Farbe in einen oft tristen Alltag, kein Ereignis ist zu unwichtig um es nicht mit einem ihrer Kuchen zu feiern.
„Kuchen backen in Kigali“ hat mir eine Welt eröffnet, die ich noch nicht kannte. Als Europäer bekommt man von Afrika und im speziellen von Ruanda nicht viel mehr mit, als in der Presse berichtet wird. Wie die Menschen in einer Großstadt nach dem Bürgerkrieg leben, was ihren wichtig ist, wie ihre Traditionen aussehen und wie mit der Nachkriegssituation im Alltag umgegangen wird ist etwas, dass in den Berichterstattungen nicht auftauchte. Auf leichte Art hat Gaile Parkin mit ihrem Buch so einige Informationslücken geschlossen. Doch unabhängig von dem informativen Charakter des Romans bringt Angel eine sehr lebensfrohe Energie rüber, die mich gerne an ihrem Alltag und den täglichen Begegnungen teilhaben ließ. Ihre kleinen und größeren Sorgen, aber auch ihre Freude an ihrem Beruf, ihrer Familie und der gesamten Wohngemeinschaft machen „Kuchen backen in Kigali“ zu etwas ganz besonderem.


Und hier kann man das Buch kaufen: Gaile Parkin: Kuchen backen in Kigali

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