Samstag, 1. Dezember 2012

Helga Glaesener: Die Vergolderin

Bewertung: *****

Mitten im "Hungerwinter" müssen sich die Geschwister Elisabeth, Marga und Christian alleine auf den Weg nach Braunschweig machen. Ihr Vater, ein einst angesehener Goldschmied, wurde des Betrugs überführt, unehrenhaft aus ihrer Heimatstadt verjagt und setzt seinem Leben selbst ein Ende. Die Mutter übersteht Kälte, Hunger und Krankheit nicht. Bei ihrem Großvater werden Elisabeth und ihre Geschwister aufgenommen, jedoch nur sehr widerwillig. Marga führt dem alten Mann den Haushalt und Elisabeth kann zum Auskommen der Familie beitragen, indem sie heimlich einige Goldschmiedearbeiten übernimmt, für die der Großvater zu alt ist. Die Angst auch aus Braunschweig verjagt zu werden ist groß und Elisabeth hat ihrer Mutter geschworen für die Geschwister zu sorgen. Doch als ein geheimnisvoller Mann in ihr Leben tritt, der noch dazu blind ist, ändert sich vieles ...

Mir hat "Die Vergolderin" insgesamt sehr gut gefallen. Den Erzählstil empfand ich als sehr angenehm, da er nicht zu bildhaft ausfiel und noch genug Raum für eigene Gedanken lies. Ein wenig schwierig fand ich die zeitliche Orientierung. Hätte nicht dabei gestanden, dass die Geschichte im Jahr 1604 spielt, so wäre dies für mich aus dem Kontext auch nicht ersichtlich gewesen. Elisabeth ist ein sehr moderner Charakter, der sehr viel Wert auf Selbstbestimmung legt, finanziell unabhängig sein möchte und auch vor Schusswaffen nicht zurück schreckt. Aus unserer heutigen Sicht erscheint sie kämpferisch und stark, zur damaligen Zeit und der beginnenden Hexenverfolgung hätte sie wahrscheinlich eher den Scheiterhaufen riskiert. Noch unwahrscheinlicher ist der Umgang der Männerwelt mit Elisabeths Freiheitsstreben, denn die scheinen das weder zu verdammen (auch wenn immer darauf hingewiesen wird, dass die Gilde Elisabeths Verhalten gar nicht toll fände), noch sonst das typische Rollenverständnis zu unterstützen. Historisch gesehen, bezweifle ich daher, dass hier ein korrektes Bild der Frauen im Mittelalter oder des Gildewesens wiedergegeben wird. Auch die Zufälle die hier die Geschehnisse bestimmen sind manchmal ein wenig weit hergeholt.
Vom Unterhaltungswert her kann Helga Glaesener jedoch durchaus überzeugen. Die Figuren Elisabeth und Martin sind sehr sympathisch und es ist genug Raum für Romantik. Ein wenig zu kurz kam leider Elisabeths Schwester Marga, deren Beweggründe und Gedanken mir sehr fremd blieben, was ich bedauere.
Wer auf Bücher in der Richtung "schwer vom Schicksal geplagtes Mädchen nimmt ihr Schicksal selber in die Hand, um schließlich für ihren Einsatz belohnt zu werden" steht, dem wird sicherlich auch "Die Vergolderin" gut gefallen. Das meine ich nun auch gar nicht abwertend, denn manchmal braucht man auch ein wenig heile Welt und Happy End in der Literatur.


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