Dienstag, 13. Juni 2017

Die 2.LitBlog Convention

Es ist nun schon ein Jahr her, seit der Lübbe Verlag zur ersten LitBlog Convention eingeladen hatte.
Nachdem wir dort so eine tolle Zeit hatten, war klar, dass wir auch dieses Jahr unbedingt dabei sein müssen.
Am Wochenende war es nun soweit.
Neben dem Bastei Lübbe Verlag hatten noch Kiepenheuer und Witsch (KiWi), der DuMont Kalenderverlag, Community Editions und der Diogenes Verlag eingeladen und ein abwechslungsreiches Programm zusammen gestellt.



Wie im letzten Jahr, möchte ich euch nun wieder gerne am Programm teilhaben lassen:

1. Etappe im Konferenzprogramm

Der Buchumschlag – eine Frage des Geschmacks?

Julia Krumhauer zeigt, wie Bücher auch ohne Worte sagen können, welche Art Geschichten sie uns zwischen ihren Buchdeckeln erzählen.



Beim KiWi Verlag ist die Covergestaltung in der Abteilung Werbung untergebracht, was anders ist als bei den meisten anderen Verlagen, bei denen dies im Lektorat mit betreut wird. Für den KiWi Verlag ist das Cover jedoch mit die beste Werbung, denn es wird als kaufentscheidend angesehen. Im Durchschnitt verwendet ein potenzieller Käufer 8 Sekunden auf das Cover und 5 Sekunden auf den Klappentext.
Was macht also ein gutes Cover aus?
Wichtig ist, dass das Cover eindeutig ist, das Genre daraus hervor geht, aber nicht zu viel verrät. Es muss noch ein Fantasiespielraum für den Leser da sein. Ein Cover soll neugierig machen und überraschen.
Handelt es sich bei dem Buch z. B. um einen Südfrankreich-Krimi, so muss das Cover schon zum Land passen. Bei anderen Genre die nicht so eindeutige Erwartungen wecken, darf man den Leser auch Mal überraschen.
Gesamtbild, Bild und Typo müssen in jedem Fall zueinander passen und das Cover wie ein kleines Poster wirken.
Die Cover müssen wegen den ebook-Ausgaben auch in kleiner Auflösung wirken.
Auch die Schriftart spielt eine große Rolle. Handelt es sich um einen Klassiker, so werden große Typen verwendet. Bei Sachbuch ist auch die Schrift meist sachlich und ohne Serifen, oft in Verbindung mit einem Foto des Verfassers.
Krimis haben neben dem Titel oft auch noch einen Untertitel, z. B. Frankreichkrimi.
Die Authentizität bei Bildern ist wichtig. Handelt es sich um eine Buch mit einem realen regionalen Bezug, so kommt auch das Bild auf dem Cover immer aus dieser Region.
Handelt es sich bei dem Buch um einen Titel aus einer Reihe, so ist es wichtig, dass es ein Konzept für die gesamte Reihe gibt, damit diese auch als solche erkennbar ist.
Beispiele dafür sieht man hier auf dem Foto:

Cover sind nicht nur Geschmackssache. Es gibt auch Kriterien die ein Cover zu einem guten Cover machen. Wichtig ist, dass das Cover hochwertig produziert ist. Es geht nicht darum was der Covergestalter persönlich schön findet, sondern es muss auf Inhalt und Zielgruppe abgestimmt sein.
In der Regel fängt der Covergestalter erst mit seinen Entwürfen an, wenn das Buch fertig ist mit Titel und Untertitel. Alle beteiligten Personen lesen mindestens die Inhaltsangabe, oft aber auch das gesamte Buch. Bei Einkäufen aus dem Ausland schaut man sich das Original an und überlegt, ob es auf dem deutschen Markt funktionieren würde. Oft werden dann Details übernommen und anderes abgeändert.

Die Grafiker werden gezielt für das Projekt ausgewählt und Lektor und Autor gefragt ,ob sie Vorstellungen zum Cover haben. Es wird versucht dies aufzunehmen oder einen Kompromiss zu erreichen. Dem Grafiker wird der Buchtitel, das Format, eventuelle Referenztitel und das gewünschte Material benannt. Auf dieser Basis werden dann die ersten Entwürfe erstellt, oft bis zu fünfzehn unterschiedliche.
Dem Lektorat werden die Favoriten gezeigt und dann wieder das Gespräch mit dem Autor aufgenommen. Die letztendliche Entscheidung wird dann von den für die Covergestaltung zuständigen Mitarbeitern im Verlag getroffen.
Wird ein Buch über 100.000 Mal verkauft, dann wird vom KiWi Verlags eine ganz besondere Ausgabe gedruckt, deren Cover ganz in Gold gehalten ist und dem Autor in einer dafür vorgesehenen Veranstaltung überreicht wird.



2. Etappe im Konferenzprogramm

John Irvings Ringen und Schreiben

Seine Lektorin Anna von Planta führt in John Irvings Universum ein und berichtet von der Zusammenarbeit mit einem engagierten Autor und Verfechter der Toleranz

Anna von Planta ist seit 30 Jahren die deutschsprachige Lektorin von John Irving. Bis auf Irvings erste Bücher "Garp" und "Hotel New Hampshire" hat sie alle seine Bücher auf deutsch betreut. Schon als Studentin hat Anna von Planta diese Bücher gelesen und es war mit ein Grund warum sie Lektorin geworden ist. Die Aufgabe einer Lektorin besteht darin einen passenden Übersetzer zu finden und die Redaktion der Übersetzung zu übernehmen. Zudem ist Anna von Planta auch Teil von John Irvings internationalem Recherche-Team, das weltweit für die passenden Kulissen zu Irvings Romanen sorgt. Sie erhält die englisch sprachigen Buchentwürfe vor der Veröffentlichung, liest die Teile gegen die einen Bezug zur Deutschland und zur deutschen Sprache haben und teilt ihren ersten Eindruck mit.
Bei jeder Neuveröffentlichung beschäftigt sich die Lektorin also auf unterschiedliche Arten mit dem Roman.
Wie kam es überhaupt dazu, dass John Irving bei Diogenes verlegt wird?
In den Jahren 1977/78 hörte Daniel Kehl aus dem Diogenes Verlag von John Irvings Roman "Garp". Autor Ian McEwan ("Der Zementgarten") schwärmte regelrecht von diesem jungen Autor. Kehl wollte daher gerne alle deutschen Veröffentlichungsrechte für die Romane von John Irving haben. Die Rechte an "Garp" waren aber zu diesem Zeitpunkt schon beim Rowohlt Verlag. Der Rowohlt Verlag veröffentlichte das Buch im Jahr 1981, es stellte sich aber zunächst als großer Flop heraus und der Verlag wollte die Rechte wieder los werden. Irvings nächster Roman war "Hotel New Hampshire" und damit kam Irving schließlich auch zu Diogenes. In den USA war dieses Buch ein riesiger Erfolg. Irving war damit auf den Bestsellerlisten und auf dem Cover des Time Magazine. Eigentlich wäre dieser Autor daher schon zu groß für Diogenes gewesen, aber sie bekamen die Rechte und veröffentlichten das Buch. Zwar gab es für "Hotel New Hampshire" auch in Deutschland tolle Kritiken, aber der finanzielle Erfolg blieb leider aus. Doch Daniel Kehl hielt an Irving fest und veröffentlichte drei weitere Bücher. Ab "Lasst die Bären los" war schließlich auch Anna von Planta als Lektorin mit dabei.
Als nächste Buch erschien dann "Gottes Werk und Teufels Beitrag".
Die Verkäufe nahmen ab diesem Buch exponentiell zu und der Durchbruch in Deutschland gelang dann entgültig mit "Owen Meany".
Es folgten die Bücher "Zirkuskinder" und "Witwe für ein Jahr", mit sehr guten Verkaufszahlen. Inzwischen wurden vom Autor in Deutschland mehr Hardcover Bücher verkauft als in den USA.
Man sieht hieran, dass der Aufbau eines Bestseller-Autoren einen langen Atem verlangt. Bei John Irving war es sein siebter Roman mit dem sich auch der finanzielle Erfolg einstellte, was recht früh ist. Bei anderen Autoren mag es manchmal erst die 18. Veröffentlichung sein. Wichtig ist hier eine Mischkalkulation für den Verlag, denn erfolgreiche Autoren tragen junge Autoren in den schweren Anfangsjahren mit.
Was zeichnet John Irving als Autor aus?
John Irving ist ernsthaft in seinen Themen und zwischen den Zeilen, aber gleichzeitig auch witzig und unterhaltsam.
Wichtig sind seiner Lektorin die Figuren, die Schauplätze, seine Plots und seine eigene Welt. Die Figuren haben ein Schicksal, eine Bestimmung und einen eigenen Sound. Sie sind in eigenem Handlungsgeflecht und hinterlegen eine Duftspur. Die Figuren sind ebenso wie die Schauplätze wiederkehrend, aber es wird anders verschraubt. Die Erwartungen der Leser werden erfüllt und unterlaufen. Oft sind die Figuren Personen vom Rand der Gesellschaft, Kinder die Kinder bleiben müssen, aber gleichzeitig die Stimme der Weisheit sind.
Auffällig ist, dass es viele Prostituierte und körperbetont arbeitende Personen gibt.
Irving sagt: "Ich habe schon immer über Menschen geschrieben die mit einem Verlust leben müssen, z. B. Körperteile, Beziehungen, Kinder etc."

Irving geht es immer auch um die Gleichstellung von Minderheiten. Die Figuren sind Suchende: Es geht darum wer bin ich und woher komme ich.
Meist sind es Verwicklungs- und Entwicklungsromane und sich am Rande der Wahrscheinlichkeit bewegende Figuren. Die Figuren werden oft aus unterschiedlichen Facetten zusammengesetzt, wie ein Kirchenorgelspieler der am ganzen Körper tätowiert ist.
Es gibt insgesamt auch viele sehr verschraubte und konträre Figuren bei Irving..
Oft lernt der Leser schon direkt zu Beginn das Umfeld der Figuren kennen und man meint regelrecht alles zu riechen, zu schmecken und mit zu erleben, fast wie beim Method Acting.
Auch die Handlungsorte sind häufig wiederkehrend und Irving vertraut besonders den Orten, an denen er selber gelebt hat.
Inzwischen lebt John Irving in Toronto/Kanada, wo er eine Wohnung zum Arbeiten und eine Wohnung zum Leben hat.
Sein Ziel ist es Welten zu erschaffen in denen alles möglich ist und die auch zur Normalität werden können. Er spielt mit Dingen die als unwahrscheinlich rüber kommen und es sind nicht nur Randfiguren, sondern Menschen wie wir. Die Wiedersprüchlichkeit in seinen Romanen macht es dabei für uns so interessant.
Irving sagt: "In meinen Büchern wiederholen sich Verlust und Gewalt die bizarr und völlig unerwartet passieren. Es gibt in meiner Fantasie jeden Tag Dinge die passieren, die viel schlimmer sind als 9/11."
Geht es nun darum einen Übersetzer für die Sprache von John Irving zu finden, so ist es besonders wichtig dass der Übersetzer eine Probe abgibt um den Sound abzugleichen und damit Irvings Sprache auf Deutsch wieder zu erschaffen. Die Sprache muss sinnlich, bewegend und rauh sein.
Irving kann lange Sätze kurz und mühelos erscheinen lassen, das ist schwierig zu übersetzen, da der Sound durchkommen muss. Irving beginnt stehts mit letzten Satz. Das Tremolo hält den Leser gefangen, auch nachdem das Buch schon zugeschlagen ist. Nach dem Beginn mit dem letzten Satz wird also die Geschichte so lange erzählt und darin zurückgegangen, bis Irving schließlich mit dem ersten Satz endet.
Bei Lesungen sagt verrät er auch oft den ersten Satz des nächsten Buches.
Für den Übersetzer ist wichtig, dass er die Figuren so gut hören muss, dass er sie in ihren Werten erkennbar macht und dies oft über tausend Seiten hinweg.
Für die Entstehung seiner neuen Werke hat Irving ein seit Jahren stabiles Recherche-Team aus 6-10 Personen. Dazu gehören ganz unterschiedliche Persönlichkeiten und neben Lektorin Anna von Planta z. B. auch ein Tätowierer aus Amsterdam oder ein Polizist aus Kanada.
Irving reißt jedoch auch um die halbe Welt zu den Handlungsorten, lässt sich beraten und geht persönlich zu den Beratenden hin.
Die Arbeitswohnung von John Irving wirkt auf den ersten Blick ziemlich konfus, was auch daran liegt, dass er meist an drei Büchern parallel arbeitet und sich erst spät entscheidet, welches die nächste Veröffentlichung wird. Da Irving Legastheniker ist, spielt auch ein bereitliegender Duden für ihn eine große Rolle.
Manchmal erstaunt auch Irvings Recherche vor Ort. In Zürich suche er eine Psychiatrie, jedoch nicht um der Patienten willen oder der dort behandelten Erkrankungen, sondern wegen der Ärzte in freier Wildbahn. Irving verwandelt dann diese Zipfel in die Welt wie er sie sieht.
Nach über 30 Jahren vermag John Irving nicht nur immer noch seine Leser zu überraschen, auch seine Lektorin wird immer noch überrascht von seinen Figuren, die manchmal aus nicht naheliegenden Gründen ihr gemütliches Leben aufgeben.


3. Blackbox Hestellung: Content rein, Buch raus – wie geht das?

Hanne Mandik entführt in die Welt der schönen Bücher und zeigt, wie spannend und kreativ der Produktionsprozess eines Buches ist

Bei diesem Programmpunkt ging es rund um die Herstellung des gedruckten Buches beim KiWi Verlag.
Die Abteilung im Verlag besteht aus fünf Personen, die zusammen ca. 150 Bücher im Jahr schaffen. An einem Herstellungsprozess hängen viele Termine.
Kommt ein Titel im September in den Handel, dann beginnt ca. zwei Wochen vorher die Auslieferung an die Buchhandlungen etc. Wiederum 3-6 Wochen vor diesem Termin beginnt die Druckerei mit ihrer Arbeit (KiWi lässt in kleinen Auflagen in Deutschland drucken). Damit alles termingerecht fertig wird, muss die Manuskriptabgabe daher mindestens drei Monate vorher erfolgen. Bei Leseexemplar kann sich dies noch Mal vier Monate nach vorne verschieben.
Ist das Manuskript da, so muss das Layout gemacht werden. Für jedes Buch wird ein Projekt gebildet und erhält sein eigenes Fach im Projektraum.

Es müssen Papier, Bindungsart, Einbandmaterial, Lesebändchen, Vorsatzpapier etc. ausgewählt werden. Im Buch selber müssen Schriftart festgelegt und der Seitenaufbau gestaltet werden. Schon am Seitenaufbau soll man erkennen können um welche Art von Buch es sich handelt und hier gibt es auch klare Unterschiede zwischen den Genre, z. B. zwischen Kochbüchern und Romanen.
Selbst Kleinigkeiten, wie ob die Zahlen in einem Text sich einfügen (mediäval) oder herausragen (versial) sollten spielen eine Rolle.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten ein Taschenbuch aufzuwerten oder auffälliger zu gestalten, z. B. mit einem farbigen Seitenschnitt.
Je aufwändiger das Buch wird, desto länger dauert dann auch die Herstellung.
So kann beispielsweise ein spezieller Leinendruck Einband für den Einband, ein spezieller Farbdruck für Bilder gewählt werden und jede Kleinigkeit, selbst Text in Bildern übersetzt werden.
Zu guter Letzt durften die Teilnehmer dann auch noch selber überlegen, welches Vorsatzblatt und Kapitalbändchen sie für das Projekt "MOABIT" wählen würden.

4. Shida Bazyar und der „Das Debüt-Bloggerpreis“

Mit der ersten Preisträgerin, der Autorin Shida Bazyar („Nachts ist es leise in Teheran“) und Bozena A. Badura (das-debuet.com)



Die Seite das-debuet.com hat im letzten Jahr den "Debüt-Bloggerpreis" ins Leben gerufen. Ausgezeichnet wird hier wie der Name schon sagt ein deutsch-sprachiger Debut-Roman. Um die Auswahl zu erleichtern, erstellen die Organisatoren eine Shortlist aus 4-6 Büchern. Die Jury besteht aus Buchbloggern, die sich die vorgeschlagenen Titel ansehen, mindestens die Leseprobe lesen (oft aber auch das gesamte Buch) und im Anschluss ihren Favoriten mitteilen. Das Buch mit den meisten Stimmen erhält dann den Bloggerpreis.
In diesem Jahr hat Autorin Shida Bazyar mit ihrem Buch "Nachts ist es leise in Teheran" gewonnen.
Die Autorin hat ihr Buch mit einer kurzen Lesung selber vorgestellt.
Im Nachhinein hat man auch noch ein wenig über die Entstehungsgeschichte des Romans erfahren.
Shida Bazyar hat fünf Jahre in Hildesheim bei einem Schreibinstitut studiert. Die letzten beiden Jahre bestanden dabei aus einem Masterstudiengang, bei dem man sich mit einem Projekt bewirbt und dies war bei das Projekt aus dem schließlich der Roman "Nachts ist es leise in Teheran" werden sollte.
Am Anfang stand hier ein Konzept das den zeitlichen Rahmen vorgab.
Unterteilt ist der Roman in vier Geschichten die in den Jahren 1979, 1989, 1999 und 2000 spielen und von denen Bazyar in den zwei Jahren drei geschrieben hat. Insgesamt hat das Buchprojekt dann drei Jahre gebraucht.
Entdeckt wurde die Autorin von Kiwi bei einer öffentlicher Lesung mit 15 Seiten aus dem Buch. Einen Vertrag gab es aber erst, als sie fertig war und das Buch über eine Agentur angeboten wurde.
Als Besonderheit im Schreibstil der Autorin ist einer Leserin aufgefallen, dass keine Anführungszeichen verwendet werden. Shida Bazyar erklärt dies damit, dass sie den Lesefluss nicht unterbrechen möchte. Neben ihrer Karriere als Schriftstellerin übt die Autorin auch noch an drei Tagen in der Woche einen anderen Beruf aus. Ob und wann es nächste Buch geben wird steht noch nicht fest, da sich Shida Bazyar im Moment noch voll und ganz diesem Projekt widmen möchte.



5. Auf Zeitreise mit Rebecca Gablé
Wie schafft es die Königin des historischen Romans, ihre Leser für längst vergangene Zeiten zu begeistern?



Rebecca Gablé begann das Schreiben von Romanen nicht erst mit ihrem ersten historischen Roman, sondern bereits mit einigen Krimis in den Jahren 1995-1999. Doch ihr erster historischer Roman, der im Jahr 1997 unter dem Namen "Das Rad der Fortuna" entstand und schließlich als "Das Lächeln der Fortuna" veröffentlich wurde, war direkt ein großer Erfolg und wurde über 1 Millionen Mal verkauft.
Die bekannteste Reihe von Rebecca Gablé mit inzwischen fünf Büchern ist die Waringham-Saga. Doch auch ein Sachbuch hat die Autorin geschrieben: "Von Ratlosen und Löwenherzen - eine kurzweilige Geschichte des englischen Mittelalters".

Kurzweilig und Mittelalter in einem Satz? Geht das überhaupt?
Eigentlich hat das Mittelalter doch eher den Ruf von ewig andauernden Schlachten.
Rebecca Gablé ist bewusst, dass Geschichte doch ein eher langweiliges Image hat. Als Beispiel dient hier der Geschichtslehrer in den Harry Potter Romanen, der ein Geist ist und wohl war gar nicht gemerkt hat, dass er vor lauter trockener Materie schon vor Jahren gestorben ist.
Die Autorin findet diesen schlechten Ruf aber wirklich schade, denn es geht hier um echte Menschen. Diesen angestaubten Figuren muss nur Leben eingehaucht werden und dann wird es spannend.
Es stellt sich nun die Frage, was die Motivation für Rebecca Gablé war, es ausgerechnet mit Geschichte zu versuchen. Die Antwort von Autor Umberto Eco ("Der Name der Rose") auf diese Frage war einst, dass er gerne einmal einen Mönch vergiften wollte.
Bei Gablé ist es nicht ganz so blutrünstig. Sie wurde an der Uni einfach gezwungen Mittelalter als Nebenfach zu studieren. Aber schon ab der ersten Vorlesung hatte sie das Thema dann auch gepackt. Es ging um die angelsächsische Epoche, wo ein Mönch vom Überfall auf sein Dorf durch Wikinger berichtete. Die Worte brachten den Schrecken und die Not nahe.
Das Rebecca Gablé dann auch bei den historischen Romanen gelandet ist, lag sicherlich auch daran, dass gerade einige erfolgreiche Werke wie "Der Name der Rose" und "Die Säulen der Erde" erschienen waren. Daher war dann der historische Roman naheliegend.

In Deutschland ist das Mittelalter in der Vorstellung der Leser eher romantisch geprägt und sehr farbenprächtig. In England dagegen nennt man diese Zeit oft die dark ages (dunkle Zeit). Das trifft es laut Rebecca Gablé jedoch nicht so ganz, denn das Mittelalter umfasst rund 1000 Jahre und somit auch viele Farben. "ages" meint hier vielmehr die ersten paar hundert Jahre und "dark" deshalb, weil es wenig Informationen und Zeugnisse aus dieser Zeit gibt und somit vieles im dunkeln bleibt. Diese Zeit hatte natürlich auch düstere Aspekte, Probleme mit der Obrigkeit und wenig Rechte, aber dafür gab es viel Lebensfreude. Das Leben war unsicher, der nächste Winter könnte den Tod bedeuten, daher wurden die Dorffeste umso ausschweifender gefeiert.

Wie verdichtet man in einem Roman? Was lässt man weg und was packt man rein?
Das ist schwierig. Ein gangbarer Weg ist, dass man das an den Figuren fest macht. Meist baut die Handlung auf einer historischen Figur und einer fiktiven Figur auf. Wichtige historische Ereignisse haben Einfluss auf Personen, den Rest kann man dann weg lassen, oder aber es tritt z. B. nur ein Bote auf, der vom Ereignis berichtet.

Was ist einfacher zu schreiben, historische oder fiktive Figuren?
Fiktive Personen sind in der Regel einfacher, aber es muss zeitgemäß sein. Wichtig ist Rebecca Gablé, dass ihre Figuren besonders passend und repräsentativ für die Zeit sind in der sie leben.
Die Herausforderung bei historischen Figuren ist, dass wir viel über sie nachlesen können. Es gibt immer ein Figuren-Gerüst, das wie ein Skelett ohne Fleisch ist. Es gibt eine Auflistung von Fakten, darüber hinaus fehlt noch der Charakter und die Figur braucht Eigenschaften und Motivation für ihre Taten. Oft muss die Autorin raten was die Motivation betriff und will den historischen Figuren auch kein Unrecht antun, auch wenn es diese 1000 Jahre nach ihrem Tod nicht mehr stört.

Wie wird recherchiert?
Eigentlich ist es wie ein Puzzle, aus dem man dann dreidimensionale Figuren entwickelt..

Hatte Rebecca Gablé schon mal Probleme sich in eine Figur hineinzuversetzen?
Ja, bei William the Conquerer. Gablé hatte ein wenig Angst vor ihm. Er hatte eine schwierige Kindheit als "Bastard" -  wie man das damals nannte. Er hat mit 18 Jahren alle unterworfen, war ein unheimlich grausamer Mensch sobald er sich in seiner Ehre verletzt fühlte und hat eiskalt und mit Kalkül seine Ziele durchgesetzt.

Gibt es Grenze beim Schreiben?
Ja, das mit William war schon eine. Sie sieht sich in einer Verantwortung gegenüber den Leser, aber ihre Komfortzone wurde beim Schreiben schon verletzt.

Wie kann ein Leser zur fiktiven Figur in einem ihrer historischen Romane werden?
Er muss einfach sehr sehr alt werden.

Braucht man Prototypen für die Figuren, wie z. B. Schauspieler?
Wenn Rebecca Gablé schreibt, so ist dies für sie wie ein Film im Kopf und sie hat  eine abstrakte Vorstellung von den Figuren. Autoren-Kollegen haben ihr auch erzählt, dass sie mit der Vorstellung von realen Person arbeiten. Rebecca Gablé hat dann damit auch etwas experimentiert, es hat sie aber eingeschränkt und ging schließlich gar nicht. Sie schreibt sich zu Beginn zu jeder Figur ein Dossier wie die ticken und warum sie ticken und liest oft darin damit die Figuren nicht weg laufen. Aber ein reales Bild braucht sie nicht.

Wie ist es mit allem anderen, wie Kleidung, Frisuren etc.? Wie erfährt man wie früher amputiert würde?
Von Bräuchen für spätere Jahre erfährt man aus den großen Epen. Für die frühen Jahre fehlt dies jedoch. Oft bleibt nur die Archäologie, z. B. haben die Slawen selber nichts über sich hinterlassen. Es gibt nur Aufzeichnungen von Dritten und die hatten meist nichts gutes über die "Heiden" zu vermelden. Archäologen sind wirklich sehr hilfreich.

Wie war es damals beim ersten historischen Roman?
Jetzt nutzt man natürlich oft das Internet. Sonst gab es aber auch andere Quellen wie z. B.  die Unibibliothek. Das Internet hat die Recherche enorm erleichtert, z. B. was Kleidung, das Münzwesen etc. betrifft. Es gibt da historische Blogs über Personen von richtigen Spezialisten.

Ist es auch wichtig zu reisen? Wie erfolgt dann die Auswahl wohin es geht?
Die Entscheidung passiert erst spät. Wenn ca. zwei Drittel des Romans fertig sind, dann steht fest welche Orte wichtig sind und wo noch Lücken in der Vorstellung dieser Ort bestehen.

Wenn Rebecca Gablé in die Vergangenheit Reisen könnte, wohin würde es gehen? Erschwerte Bedingung ist, dass sie für drei Jahre bleiben müsste. Was wäre dann Ort und Zeit?
Eigentlich möchte Rebecca Gablé zum Abendessen zu Hause sein.
Aber wenn sie drei Jahre bleiben muss, dann nimmt sie die Jahre 1330 - 1333 in England. Damals war ihr Lieblingskönig Edward III an der Macht und der hat in diesen Jahren einfach nur König Artus gespielt mit Hofstaat und Ritterspielen.
Gibt es inzwischen zur Recherche alles digital, oder muss sie sich Originale ansehen?
Das meiste gibt es als wissenschaftliche Ausgabe durch Doktorarbeiten etc. in Unibibliotheken.

Wird Rebecca Gablé noch Mal was aus einem anderen Genre schreiben?
Rebecca Gable denkt an einen historischer Kriminalroman. So eine Art schlaue Nonne oder Mönch als Mittelalter-CSI mit Rechtsfindung und Rechtsbildung im Mittelalter. Sie würde auch gerne das Image des Sheriff aufbessern, der seit dem Sheriff von Nottingham negativ vorbelastet ist. Sehr gerne würde sie auch einen Schauerroman schreiben.

Wie entstehen fiktive Personen?
Nicht die Autorin findet das Thema, sondern das Thema findet die Autorin. Irgendwas läuft einem über den Weg, das dann die Initialzündung auslöst.

Weiß man schon beim Schreiben, dass es ein dickes Buch wird?
Die Dicke von Rebecca Gablé Büchern hängt nicht an Figur, sondern dem langen Zeitraum der Romane. Es liegt auch daran, dass man bei historischen Romanen mehr beschreiben muss.

Würde Sie rückblickend gerne etwas anders schreiben, weil es inzwischen neue Erkenntnisse gibt?
Manchmal schon. z. B. wurde das Skelett von Richard III inzwischen bei Bauarbeiten unter einem Parkplatz gefunden. Er wurde also nicht wie sie es schrieb in einen Fluss geworfen.

Was wird der nächste Roman?
Der nächste Roman wird ein Waringham, jedoch nicht über die Barockzeit nach "Palast der Meere", denn einen Roman zu schreiben in dem die Männer Perücken tragen, kann sich die Autorin nicht so recht vorstellen. Daher wird es ein Vorläufer-Roman, der im 13.Jahrhundert spielt.

Wie lange schreibt man an einem Buch?
Das ist unterschiedlich. Er werden die Daten gesammelt, auch in einer Datenbank, dann folgt das eigentliche Schrieben und vorher und laufend nebenher dann die Recherche.

Hat die Autorin schon mal eine Abneigung gegen eine Figur entwickelt?
Rebecca Gablé informiert sich gut bevor sie zu schreiben beginnt. Böse Überraschungen können daher nicht passieren. Aber die Einstellung gegenüber der Handlung kann sich ändern. Da müssen dann Autor und Leser durch.

Kann sich der Charakter ändern beim skizziere?
Ja, das kann passieren. Es passt dann vielleicht doch nicht zur Biografie und dafür ist dieser Arbeitsschritt des Skizzierens auch da. Der Film läuft dann im Kopf nicht weiter.

Gibt es englische Übersetzungen der Bücher?
Nein. Im Ausland sind viele Verlage generell sehr übersetzungsfaul. Wenn übersetzt wird, dann eher bei literarischen Werken und nicht bei Unterhaltungsliteratur.
Britische Verlage haben meistens kein Budget für Übersetzungen. Der Deutsche Buchmarkt ist da ganz anders. Wir haben hier eine echte Vielfalt auf dem Buchmarkt und das ist ein hoher Wert. Das hat auch mit Meinungsvielfalt zu tun.

Natürlich gibt es auch noch ein aktuelles Foto mit Limes.


Hier sind noch ein paar Eindrücke aus dem Foyer der Veranstaltung:





Zwischendurch hat Limes auch Autorin Petra Hülsmann getroffen, die ihr neues Buch "Das Leben fällt, wohin es will" dabei hatte.

Toll finde ich auch, dass Petra Hülsmann ihre eigene Sprüche-Karte hat:

Ebenfalls mit dabei ist Autorin Anna Basener, die ihr Buch "Als Omma den Huren noch Taubensuppe kochte" vorstellte.


Es war wieder mal ein wundervoller Tag und für zu Hause warten nun auch noch einige interessante Bücher und Kleinigkeiten die entdeckt werden wollen:



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