Niedersachsen, Winter 1880.
Blanka von Rapp hat alles was man sich nur wünschen kann: sie ist schön, hat einen aufmerksamen Ehemann, eine reizende kleine Tochter und lebt in einem repräsentativen Haus. Doch Blanka geht nicht vor die Tür, niemals. So kehren Ehemann und Tochter auch alleine von der Beerdigung von Blankas Mutter zurück. Mit dabei haben sie Blankas Erbe, einen großen Spiegel. Blanka wird gleichermaßen angezogen und abgestoßen von diesem Ungetüm und es bringt auch die Erinnerung mit an ferne Kindertage ...
"Winterkind" ist ein historischer Roman, der ganz hervorragend in die Winterzeit passt. Die Handlung spielt in einem Zeitrahmen von ca. einer Woche kurz vor Weihnachten. Herausgegeben wurde das Buch in der Reihe "Die grüne Fee" des Dryas Verlag und beschäftigt sich daher auch mit den Einflüssen des industriellen Wandels auf den Menschen im 19. Jahrhundert. Autorin Lilach Mer hat, wie sie im Nachwort erzählt, eigene familiäre Verbindungen zum Glashandwerk, weshalb hier auch Johann von Rapp eine Glashütte betreibt. So bietet sich hier die Gelegenheit einerseits das Leben der Herrschaft, andererseits jedoch auch der Arbeiter in der Glashütte näher zu beleuchten und die Standesunterschiede einander gegenüber zu stellen. Erzählperspektive ist jedoch auch die Gouvernante des Kindes, so dass noch zusätzlich Fräulein Sophie zu Wort kommt, die in ihrer Stellung weder zur Herrschaft, noch zur Dienerschaft gehört.
Ich habe die bildhafte Sprache der Autorin sehr genossen. Die Figuren sind alle sehr gut beschrieben und das Szenario wirkte auf mich filmreif, so deutlich ist es vor meinem Auge entstanden. Ich könnte mir auch gut eine Umsetzung als Theaterstück vorstellen.
Interessant fand ich auch die Hintergrundinformationen zu Mode und Erziehung, was vielleicht an Ort und Stelle sehr ausführlich wirkt, jedoch im Nachhinein auf jeden Fall für das Verständnis der Geschichte notwendig ist.
Lilach Mer schafft hier den Spagat zwischen den Genre. In erster Linie ist "Winterkind" für mich ein historischer Roman, doch es gibt auch Elemente eines Spannungsromans und natürlich auch ein wenig mysteriöses, wobei es aber kein Fantasyroman ist, wie vielleicht die Leser von Lilach Mers Erstlingswerk "Der siebte Schwan" annehmen werden. Auch einen Gesellschaftsroman könnte man dieses Werk hier nennen, denn es spiegelt im wortwörtlichen Sinne einen Teil der Gesellschaftsschichten und Konventionen gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder. In der Inhaltsangabe des Verlages wird auf das Märchen von Schneewittchen hingewiesen. Parallelen sind zu erkennen und passend in die Geschichte integriert. Es handelt sich jedoch nicht um eine klassische Variante oder auch nur eine märchenhafte Fortsetzung!
Einen kleinen Abzug gibt es bei mir jedoch in der Gesamtwertung, denn einige Fragen blieben bei mir offen. Dazu hätte ich auch gerne noch ein paar Folgekapitel gehabt, um noch mehr über die Familie zu erfahren. Was mir "Der siebte Schwan" zuviel an Seiten hatte, hat mir "Winterkind" zu wenig, aber vielleicht wird es ja irgendwann mal eine Fortsetzung rund um die Familie von Rapp geben. Ich wäre gerne dabei.
Empfehlen kann ich "Winterkind" an alle Leser, die gerne historische Romane mit Spannungselementen lesen.
So habe ich bewertet:
Und hier kann man das Buch kaufen: Lilach Mer: Winterkind
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